Introvertierte stehen nicht gerne im Vordergrund. Die Karriereleiter können sie aber genauso gut erklimmen wie extrovertierte Menschen. Diese sieben einfachen Tipps helfen.
Angela Merkel, Mark Zuckerberg und Bill Gates: Drei Menschen, die auf Bühnen in der ganzen Welt sprechen; drei Menschen, die aus den Medien kaum wegzudenken sind; drei Menschen, die als introvertiert gelten – so wie 30 bis 50 Prozent der Bevölkerung.
Merkel stand als Bundeskanzlerin im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Große flammende Reden wie ihre Vorgänger hielt sie nur selten. Mark Zuckerberg soll Facebook erfunden haben, um Frauen kennenzulernen. Und über Bill Gates Privatleben ist fast nichts bekannt. Alle drei sind in sich gekehrt und eher ruhige Menschen, trotzdem haben sie es geschafft zwischen vielen Extrovertierten Karriere zu machen. Diese sieben Tipps helfen dabei.
Tipp 1: Die passende Berufswahl
„Es gibt stereotype Jobs, in denen Intros in Ruhe nachdenken können und die für ihre neuronalen Strukturen günstig sind“, erklärt Fachautorin Sylvia Löhken. Typische Berufsfelder seien in der Wissenschaft und Forschung. Ein weiterer Punkt ist außerdem entscheidend für die Berufswahl: Neben der Intro- und Extraversion besitzen Menschen noch weitere Persönlichkeitsmerkmale, wie beispielsweise Gewissenhaftigkeit. Die unterschiedlich starken Ausprägungen sorgen dafür, dass Introvertierte eher extrovertierte Jobs ausüben können. „Angela Merkel brauchte eine starke Machtmotivation, um ihren Job als Bundeskanzlerin gut machen zu können.“
Tipp 2: Das Arbeitsumfeld anpassen
Ein weiterer Punkt ist das Arbeitsumfeld. Ein lautes Großraumbüro ist für viele introvertierte Menschen weniger geeignet. Die Gespräche der Mitarbeitenden können Stress auslösen. Kopfhörer oder Ohrenstöpsel können Abhilfe verschaffen. „Am besten spricht man bei den Kolleginnen und Kollegen die eigenen Bedürfnisse an. Bei lauten Gesprächen kann ich fragen, ob die Lautstärke reduziert werden könnte“, rät Business- und Personal-Coachin Stephanie Hollstein. Zudem sei es hilfreich, sich Rückzugsorte zu suchen.
Tipp 3: Vorbereitet ins Bewerbungsgespräch
Vorstellungsgespräche können introvertierte Menschen vor zwei Herausforderungen stellen: Sie sind zu nervös und sie antworten zu knapp. „Introvertierte haben nicht unbedingt Angst vor einem Gespräch. Sie reden nur nicht gerne über sich oder geben gerne viel preis“, erläutert Hollstein. Deshalb empfiehlt sie, nicht nur die wichtigsten Punkte in der Antwort abzuhaken. „Es ist sinnvoll, sich eigene Fragen zu überlegen, um die Konversation am Laufen zu halten“, so die Coachin.
Gegen die Nervosität können gängige Mittel helfen. Tief durchatmen, meditieren oder sich mit anderen Aufgaben ablenken. Eine gute Vorbereitung ist ebenfalls förderlich. „Introvertierte sollten sich im Vorfeld über das Unternehmen und das Gespräch informieren“, sagt Karriereberaterin Ute Bölke.
Zudem hilft es auch, die Rahmenbedingungen des Termins zu kennen. Sie sollten bei der Terminabsprache geklärt werden. Die Introvertierten fragen nach der Gesprächsdauer und den Gesprächspartnern. So können sie sich Gedanken über die Fragen der Interviewenden machen.
Löhken hebt noch einen weiteren Aspekt hervor: das Mindset. „Intros hilft es, sich bewusst zu machen, wozu ihnen etwas wichtig ist“, erklärt die Autorin. Ein Bewerbungsgespräch wird dann als gegenseitiges Kennenlernen angesehen.
Tipp 4: Sich in Konferenzen und Meetings beteiligen
In Konferenzen und Meetings ist es wichtig, sich zu beteiligen, um von den Kolleginnen und den Führungskräften gesehen zu werden. Um etwas beizutragen, können Introvertierte schon vor der Konferenz aktiv werden. Sie schreiben dem Vorgesetzten eine Mail. Darin sprechen sie vorher ab, zu welchem Punkten sie gerne etwas sagen möchten. So überwinden die Introvertierten eine erste Hürde. Bölke gibt den Tipp, sich feste Ziele dafür zu setzten. „Vor einem Meeting sage ich mir, dass ich mich zweimal zu Wort melde. Wenn das gut funktioniert hat, dann werden es nächstes Mal drei Beiträge“, erklärt die Karriereberaterin.
Knifflig wird es auch, wenn eine vorgestellte Idee von einem anderen als eigene verkauft wird. Löhken rät, dies offen anzusprechen. „Eine passende Reaktion darauf lautet: Vielen Dank, dass du meinen Vorschlag aufgegriffen hast“, erläutert sie. Daran anschließend könnte der Introvertierte selbst die Idee noch mal detailliert erörtern.
Tipp 5: Gehaltsverhandlungen meistern
Auch bei Gehaltsverhandlungen spielt wieder die Vorarbeit eine wichtige Rolle. „Ich sollte vor einer Verhandlung meine Minimal- und die Maximalforderungen aufstellen, damit ich weiß, welche Ziele ich verfolge“, so Hollstein. Auch Bölke hebt die Notwendigkeit der Vorbereitung hervor: „Es gibt Introvertierten ein Sicherheitsgefühl, wenn sie vorab ihre Argumente herausarbeiten.“ Denn anders als Extrovertierte können sich introvertierte Menschen weniger auf ihr Charisma verlassen.
Tipp 6: Netzwerken auf introvertierte Art
Auch für Netzwerkveranstaltungen ist eine gute Vorbereitung entscheidend. „Aus meiner Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, sich die Menschen auszusuchen, die sich für ähnliche Themen interessieren und mir sympathisch erscheinen“, beschreibt Hollstein. Ähnlich wie bei Konferenzen können sich Introvertierte schon vor einer Netzwerkveranstaltung Gedanken machen, mit wem sie sprechen möchten. Dann nimmt die introvertierte Person vorab Kontakt auf. Keine Antwort des Gegenübers könne ebenfalls als Gesprächseinstieg genutzt werden, so Löhken. Sie schlägt vor, den Gesprächspartner auf die ausgebliebene Rückmeldung anzusprechen.
Ein Geheimrezept zum Kontakteknüpfen gibt es nicht. Dennoch weist Hollstein auf die Stärken der introvertierten Menschen hin. „Introvertierte sind wirklich gut darin, tiefgehende Kontakte zu knüpfen und die Beziehungen auf dieser Ebene zu halten“, erläutert sie.
Tipp 7: Umgang mit Kolleginnen
Viele Introvertierte reden wenig über persönliche Dinge. Extrovertierte schon. Das können die verschlossenen Kolleginnen nutzen. Anstatt nur zuzuhören, sollten sie nachfragen. Die Nachfragen sollten offen formuliert sein. So bleibt das Gespräch lebendig. Das passive Zuhören könnte vom Gegenüber als Desinteresse wahrgenommen werden.
„Ich sollte mir auch immer die Frage stellen: Was bin ich bereit, von mir selbst preiszugeben“, erklärt Hollstein. Introvertierte müssten also nicht ihr Innerstes nach außen kehren, um aktiv Smalltalk zu führen.
@ Anabel Schröter / WirtschaftsWoche (Newsletter Kopp-Wichmann)
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