Verstehst du auch manchmal nicht, warum du dich so fühlst, wie du dich fühlst?
Denkst du, dass du manchmal überreagierst?
Führen deine Gefühle manchmal dazu, dass du keinen klaren Gedanken mehr fassen kannst?
Dann lies weiter…
Bei manchen Problemen ist das äußerlich sichtbare Problem gar nicht das, was es als erstes zu behandeln gilt.
Unser Körper hat 3-4 automatische Reaktionen, um mit Stress umzugehen, je nachdem, nach welchem Ansatz man sich richtet.
“Stress” bedeutet hier alles, was potenziell bedrohlich sein könnte.
Diese Reaktionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Reflexe sind. Wir suchen sie uns nicht aus. Sie umgehen unser Bewusstsein und “passieren einfach”.
Normalerweise geht so eine Reaktion nach kurzer Zeit wieder vorbei, zum Beispiel, wenn der Stressfaktor / die Gefahr wieder weg ist.
Es kann jedoch passieren, dass wir in so einer Traumareaktion stecken bleiben. Das ist das Grundproblem fast aller psychischen Erkrankungen.
Das sieht dann jeweils so aus:
- Kampf
Wenn wir uns im Kampf-Modus befinden, dann versucht unser Gehirn, die potenzielle Gefahrenquelle direkt zu konfrontieren.
Wenn wir im Flucht-Modus feststecken, sieht das oft so aus:
- wir sind sehr feinfühlig
- wir tendieren vielleicht dazu, andere Meinungen schnell abzutun und nichts an uns ranzulassen
- möglicherweise reagieren wir sehr explosiv auf Verletzungen; haben Probleme, Wut zu regulieren
- wir neigen zu starken Gefühlsschwankungen
- wir fühlen uns oft angegriffen, haben häufig das Gefühl, uns verteidigen zu müssen
- Flucht
Im Flucht-Modus versuchen wir instinktiv, uns selbst vor der potenziellen Gefahr in Sicherheit zu bringen.
Wenn wir aus diesem Modus nicht mehr rauskommen, sieht das möglicherweise so aus:
- wir neigen zu Perfektionismus und leiden stark an der Angst, nicht gut genug zu sein
- wir neigen dazu, Versprechungen, Beziehungen oder Hobbies besonders schnell zu beenden, wenn etwas darin nicht “perfekt” läuft
- wir sind vielleicht ständig im Kopf, denken viel nach, neigen zu starker Tagträumerei
- möglicherweise haben wir das stetige Bedürfnis nach Ablenkung, müssen immer beschäftigt sein
- Totstellen
Der Totstell-Reflex soll uns helfen, uns direkt vor der potenziellen Gefahrenquelle zu verstecken, bis die Gefahr vorüber ist.
Wenn wir in diesem Modus feststecken, sieht das vielleicht so aus:
- wir können uns nicht entscheiden
- bei Problemen wird unser Kopf leer, wir sind “nicht mehr da”
- wir fühlen uns taub, kalt und isoliert
- Prokrastination ist unser Hobby
- wir neigen vielleicht dazu, Neues, was nicht sofort funktioniert, schnell aufzugeben
- wir fühlen uns oft energielos, ausgelaugt, müde
- Der Bambi-Reflex (Fawn-Response)
Die Fawn-Response (Bambi-Reflex ist aber ein zu schönes Wort) beschreibt den Zustand, in dem wir direkt nett, freundlich und anpassungsbereit sind, um einen Menschen zu beschwichtigen, der uns potenziell gefährlich werden könnte.
Wenn wir in diesem Modus feststecken, sieht das so aus:
- wir spüren nur die Bedürfnisse der anderen, aber nicht unsere eigenen
- wir haben eine innere Blockade; können unsere Wünsche und Grenzen nicht äußern
- wann immer uns jemand verletzt, werden wir instinktiv freundlich und unterwürfig, anstatt unsere Grenzen zu verteidigen oder aus der Situation zu verschwinden.
- die Angst, nicht gemocht zu werden, lässt den Kopf direkt leer werden
- Menschen, die dazu tendieren, haben Nettigkeiten und Freundlichkeit als Standard-Verhalten gespeichert. Sie können nichts tun oder sagen, was andere verletzen könnte.
Keiner dieser Reflexe ist falsch oder “toxisch”.
Aber wenn wir darin feststecken, selbst wenn die “Gefahr” schon wieder vorüber ist, dann rutschen wir recht schnell in ebenjenen Modus rein, selbst wenn es gar keine echte Gefahr gibt.
In diesem Fall ist es wichtig, ZUERST dein Nervensystem zu beruhigen, anstatt sofort zu handeln.
Erst einmal atmen. Vielleicht kurz Abstand gewinnen. Mit Freunden oder Therapeuten über das Thema reden.
Wenn du dich in der Liste wiedergefunden hast, dann wisse: Du bist nicht allein.
Mit dir ist nichts falsch. Du “machst” nichts falsch.
Der Weg der Heilung führt hier über 2 Stationen:
- Zu lernen, diesen Zustand schnell zu beruhigen (z.B. mit einer der geführten Entspannungsübungen aus dem Lichtblick Campus)
- Deine seelische Belastbarkeit zu stärken, indem du wieder schrittweise dein Selbstwertgefühl stärkst und einen neuen Umgang mit Krisensituationen lernst (einen, der auch bei Depressionen hilft), damit du nicht mehr so schnell in diesen Modus verfällst.
Ich hoffe, das kann dir heute etwas weiterhelfen.
@Arne Tempel (Depressionscoach)
Fotonachweis: unsplash.com / @Ehimetalor Akhere Unuabona