Gib auf, die Welt oder andere Menschen verändern zu wollen
Wir reden in den letzten Jahren so viel von der Klimakrise und der Erderwärmung, dass wir die schlimmste Erwärmung dabei völlig vergessen:
Das hitzige Miteinander.
Den Hass, der untereinander geschürt wird.
Die brennende Wut, mit der wir Menschen begegnen, die das nicht verstehen wollen, was wir ihnen nahelegen.
Egal ob zwischen Arm und Reich, zwischen Volk und Politik oder zwischen Frauen und Männern. Mittlerweile ist noch Corona dazugekommen, aber eigentlich passiert hier genau dasselbe, wie sonst auch.
Der Wunsch, der andere möge doch bitte unsere Sichtweise verstehen (weil wir der festen Überzeugung sind, diese Sichtweise würde auch dem anderen etwas nützen), bringt aber, entgegen aller Bemühungen, keine Annäherung und kein Verständnis.
Alle Versuche, die Sichtweise eines anderen Menschen zu verändern sind, anders ausgedrückt, der Versuch einer Gehirnwäsche.
Du möchtest die Gedanken deines Gegenübers an das anpassen, was du persönlich für richtig hältst. Das kann nicht funktionieren. Weder im Großen, weltlichen und politischen Geschehen, noch im Familien- und Freundeskreis.
Das soll jetzt keine Schelte sein.
Ich bin mir sicher, du meinst es gut und ich bin mir auch sicher, dass wir alle von gewissen Veränderungen des kollektiven Verhaltens sehr profitieren würden. Aber Belehrungen, Manipulationen und Wutausbrüche sind die denkbar schlechtesten Mittel, um andere Menschen zur Veränderung zu bewegen. Wir Menschen lernen nur durch eines: Erfahrungen.
2007 warnten die Behörden von Kapstadt ihre Mitbewohner vor einer bevorstehenden Wasserkrise (es gibt dann kein Wasser mehr in der Stadt).
Die Warnung brachte nur minimal etwas. Erst als 2015 fast kein Trinkwasser mehr zur Verfügung stand, waren die Menschen bereit (bzw. gezwungen), ihr Verhalten in Bezug aus Wasser zu ändern. Das Wissen um die Krise hat fast nichts bewirkt. Erst die Erfahrung machte das vorher schon gewollte Verhalten für die Menschen greifbar.
Viele Menschen verbringen Jahre und Jahrzehnte in toxischen Beziehungen, die beiden ständig nur wehtun. Aufwachen tun die meisten erst, wenn es zum Seitensprung, zu körperlicher Gewalt oder zur plötzlichen Trennung des Partners kommt. Erst die schmerzliche Erfahrung macht das Wissen umsetzbar. Aber das geht auch andersherum.
Wir wissen, dass eine wenigstens grundlegend vegetarische Ernährung gesünder ist. Aber erst, wenn ein Freund oder Familienmitglied zum Vegetarier oder Veganer wird und wir merken, dass es sogar schmecken kann, öffnen wir uns für diesen Ernährungsstil. Eine positive Erfahrung, die in uns das Bedürfnis weckt, mehr von dieser Erfahrung zu haben.
Viele wünschen sich mehr Liebe und Wohlwollen im Miteinander mit anderen Menschen, können aber selbst ihren Zynismus und ihr “Gemecker” nicht ablegen.
Aber erst, nachdem sie in einer Gruppe von spirituellen Menschen waren, in denen dieses friedvolle Miteinander tatsächlich gelebt wird, sind sie bereit dazu, diesen Umgang auch im Rest ihres Lebens anzuwenden.
Wir Menschen lernen durch Erfahrungen, nicht durch Ratschläge. Ratschläge und Kritik sind in den meisten Fällen vergebene Liebesmüh. Beim anderen gehen die inneren Schutzmauern hoch, weil er sich angegriffen fühlt und du selbst wirst dabei oft auch noch frustriert. Win-Win sieht anders aus…
Der Ausweg: Gönne dir und deinem Gegenüber die Erfahrung der positiven Sache, die du verwirklicht sehen möchtest. Du wünschst dir ein verurteilungsfreies Miteinander? Vergib dir selbst und anderen für ihre Fehler.
Du wünschst dir, dass Diskriminierung in der Gesellschaft aufhört? Dann hör zuerst auf, die Menschen zu diskriminieren, die andere diskriminieren. Du wünschst dir, dass dich dein Partner freier lässt und dir mehr vertraut? Dann schenke deinem Partner mehr Freiheit und Vertrauen, selbst wenn er beides nicht so nutzt, wie du es dir vorgestellt hast.
Wir vergeuden unendlich viel Energie damit, Dinge im Außen ändern zu wollen, auf die wir keinen direkten Einfluss haben. Was du an deinem Umfeld verändern willst, verändere an dir selbst. Nicht nur, dass du deine Kraft damit für dich nutzt und dein Leben verbesserst.
Du wirst zum Vorbild für andere Menschen, da auch sie eigentlich ständig nur darauf bedacht sind, andere zu verändern und sich dabei kaputt machen.
@Arne Tempel