Gewohnheiten erleichtern das Leben. Wenn wir aber eine “schlechte” Angewohnheit ändern wollen, dann tun wir uns oft schwer. Warum ist das so? Wie können wir Gewohnheiten verändern?
Wir können Denkgewohnheiten, Gefühlsgewohnheiten und Verhaltensgewohnheiten unterscheiden. Die Entscheidung, alt vertraute, aber schädliche oder behindernde Gewohnheiten aufzugeben, ist meist schnell getroffen. Die Umsetzung dieser Entscheidung, etwa sich gesünder zu ernähren oder mehr Sport zu treiben, ist der schwierigere Teil.
Deshalb sagt der Philosoph, Psychologe und renommierte Führungsexperte Reinhard Sprenger nicht zu Unrecht:
Die Macht der Gewohnheit ist der härteste Klebstoff der Welt.
Gewohnheiten haben es nämlich an sich, sich gegen Veränderungen zu wehren. Und das macht auch Sinn, denn Gewohnheiten sollen uns das Leben erleichtern. Gewohnheiten ermöglichen es uns, dass wir uns blind auf unser Gefühl verlassen können. Da darf es nicht passieren, dass sich Angewohnheiten einfach und ohne unser bewusstes Zutun verändern.
Stell dir vor, du müsstest von heute auf morgen all das neu lernen, was du dir über die Jahrzehnte hinweg angeeignet hast: Laufen, Fahrradfahren, Schreiben, Lesen … Es macht Sinn, dass wir diese und andere Verhaltensgewohnheiten nicht von jetzt auf gleich ablegen oder verlernen.
Diese Beharrlichkeit unserer Gewohnheiten ist erst dann von Nachteil, wenn wir schädliche Denk- und Verhaltensweisen ablegen wollen. Wenn wir uns, etwa beim Tennisspielen eine falsche Schlägerhaltung angewöhnt haben, dann braucht es Geduld und Training, bis wir uns eine neue Schlägerhaltung angewöhnen. Damit es dir besser gelingt, dich von schädlichen Verhaltens- und Denkgewohnheiten zu trennen, ist folgendes wichtig zu wissen:
- Wie enstehen Gewohnheiten?
- Wie verläuft der Veränderungsprozess?
Wie entstehen Gewohnheiten?
Gewohnheiten erleichtern uns das Leben ungemein. Wir haben ganz bestimmte Verhaltensgewohnheiten, beispielsweise die Art, wie wir essen, gehen, sprechen, einschlafen, schreiben, Zähne putzen usw. Wir haben aber auch bestimmte Gewohnheiten zu denken, zu fühlen und mit unseren Gefühlen umzugehen.
Manche von uns geraten bei Wut aus der Fassung und schreien andere an, anderen wiederum verschlägt es die Sprache. Manche glauben, überhaupt keine Wut spüren zu können, sondern reagieren eher mit Traurigkeit und Verzweiflung. Manche sehen immer nur das Negative oder die Fehler, während andere die Chancen und Erfolge sehen. Du kennst sicher das berühmte Beispiel, dass man ein halbleeres Glas auch als halbvoll beschreiben kann.
All diese Gewohnheiten sind entstanden, indem wir immer wieder in ein- und derselben Weise gedacht und gehandelt haben. Am besten hast du wahrscheinlich noch vor Augen, wie deine Gewohnheiten, auf der Computertastatur zu schreiben, Auto zu fahren oder mit dem Euro zu rechnen, entstanden sind.
Sind Gewohnheiten erst einmal installiert, erfordern sie keine Mühe und Aufmerksamkeit mehr von uns. Wir brauchen uns dann nur noch auf unseren Körper zu verlassen. Dieser meldet uns, wenn unser Verhalten von den Gewohnheiten abweicht. Er meldet, wenn zu wenig Salz in der Suppe ist, wir auf der falschen Seite einschlafen, im Linksverkehr fahren usw. Wir fühlen uns dann unwohl und so, als ob etwas nicht stimme.
Vergleichbar sind Gewohnheiten mit einem Canyon, in den sich Jahrhunderte lang das Wasser tief eingegraben hat. Wollen wir ein neues Verhalten erlernen, müssen wir quasi eine neue Schlucht graben. Dabei wird das Wasser dazu neigen, immer wieder in die alte Schlucht zu fließen, solange die neue Schlucht noch nicht mindestens genauso tief wie die alte ist. Wir müssen deshalb geduldig das Wasser ganz bewusst und mit Anstrengung in das neue Flussbett lenken.
Vergleichbar damit müssen wir immer wieder ganz bewusst neue Gewohnheiten, zu denken und zu reagieren, einüben, bis sie automatisch ablaufen.
Die 5 Phasen eines Veränderungsprozesses
Eine Veränderung ist, wie du wahrscheinlich bereits an dir selbst erlebt hast, gar nicht so leicht zu bewerkstelligen. Wir müssen mit einigen Hürden rechnen. Nehmen wir einmal an, du willst die Angst vor dem Fahrstuhlfahren überwinden. Dann verläuft der Veränderungsprozess in folgenden fünf Phasen:
Phase 1: Die theoretische Einsicht
In der ersten Phase hast du die theoretische Einsicht, dass die Angst vor dem Fahrstuhl übertrieben und irrational ist. Du weißt, dass die Fahrstühle in der Regel sicher sind und es relativ unwahrscheinlich ist, dass etwas passiert. Du weißt auch, dass deine Angst entstanden ist, weil du gedacht hast, dass der Fahrstuhl gefährlich sei. Du weißt, dass die Angst unangenehm ist, du sie aber ertragen kannst, wenn du mit dem Fahrstuhl fährst.
Phase 2: Die praktische Übung
In der zweiten Phase folgt nun die praktische Übung. Du musst deine Erkenntnis umsetzen und mit deiner Angst in den Fahrstuhl steigen.
Phase 3: Der Widerspruch zwischen Kopf und Bauch
Während der praktischen Übung musst du in der dritten Phase den Widerspruch zwischen Kopf und Bauch überwinden. Obwohl sich dein Kopf klar darüber ist, dass das Aufzugfahren keine Katastrophe ist und du die Fahrt überleben wirst, hast du das Gefühl, als ob du die Fahrt nicht aushalten kannst. Dein Gefühl sagt dir: “Das halte ich nicht aus. Bestimmt bleibt der Lift hängen.” Und dein Kopf sagt dir: “Das Fahrstuhlfahren ist nicht gefährlich. Ich kann meine Angst und meine körperlichen Symptome aushalten.” Das alte Gefühl ist quasi wie ein Warnsystem, das dich noch einmal fragen will: Meinst du es ernst mit deiner Veränderung? Folgst du dem alten Gefühl, wirst du niemals etwas ändern.
Du kannst dich nur ändern, wenn du dein altes Gefühl einfach nur zur Kenntnis nimmst, als Irrtum ansiehst und dich nach deiner neu erarbeiteten Einstellung verhältst.
Phase 4: Die Übereinstimmung zwischen Kopf und Bauch
Nun ist der schwierigste Teil der Veränderung bereits geschafft. Du kommst in die vierte Phase, die Phase der Übereinstimmung zwischen Kopf und Bauch. Du bist dir deiner neuen Gedanken noch bewusst, aber das Gefühl stimmt schon mit den Gedanken überein. Du hast das Gefühl, es richtig zu machen. Die Angst hat deutlich nachgelassen oder ist bereits überwunden. Du steigst problemlos in den Lift.
Phase 5: Die Entstehung der neuen Gewohnheit
Die fünfte und letzte Phase ist dann erreicht, wenn eine neue Gewohnheit entstanden ist.
Dein Denken läuft automatisch ab. Du benutzt den Fahrstuhl wahrscheinlich wie dein Auto ohne irgendeinen Gedanken an Gefahr. Während der Fahrt im Lift kannst du dich mit Alltagspflichten befassen oder dich angenehm mit Mitfahrenden unterhalten.
Gefühle sind also manchmal gute, manchmal schlechte Berater. Wir müssen herausfinden, ob es uns in einer bestimmten Situation hilft oder schadet, auf unsere Gefühle zu hören. In den Selbsthilfe-Informationen Gefühle beeinflussen und Gesundes Denken erfährst du mehr darüber.
Übung: Integriere neue Mini-Gewohnheiten in deinen Alltag
Wenn du eine neue Mini-Gewohnheit in dein Leben integrieren oder eine alte Gewohnheit loswerden willst, gehst du am besten Schritt für Schritt vor. Wichtig ist, dass du einen Plan hast, wenn du dich sanft an früheres Aufstehen, regelmäßige Pausen oder Sporteinheiten gewöhnen willst.
Brich zunächst deine geplante Mini-Gewohnheit auf einen möglichst konkreten Plan herunter: Wenn du dich mehr bewegen möchtest, können das zunächst wiederholte kürzere Aufenthalte an der frischen Luft sein, damit du schließlich einen täglichen Spaziergang zu einem festen Bestandteil deines Tages machst. Wenn du dich gesünder ernähren willst, genügt es erstmal, täglich eine Frucht oder einen kleinen Salat zu essen. Welchen konkreten Mini-Schritt kannst du heute oder zeitnah umsetzen?
Es folgt der Auslöser: Wie erinnerst du dich am besten an deine neue Mini-Gewohnheit, bevor du sie ausführst? Möchtest du deine Gewohnheit an eine Uhrzeit oder an eine andere Gewohnheit koppeln? Vielleicht planst du deinen kurzen Aufenthalt an der frischen Luft jeden Tag nach dem Mittagessen oder du isst jeden Vormittag um 10 Uhr einen Apfel.
Überlege anschließend, wie du dich für einen Mini-Schritt belohnen kannst? Oft reicht schon ein Lächeln, das du dir selbst schenkst, um die Gewohnheit positiv zu verknüpfen. Du kannst aber auch nach deinem kleinen Spaziergang ein leckeres Getränk trinken oder nach dem Apfelessen dein Lieblingslied hören.
Um die Gewohnheit jetzt fest in deinem Tagesablauf zu verankern, ist es wichtig, dass du sie regelmäßig ausführst. Hilfreich ist hier das Tracking, also das Verfolgen deiner Gewohnheiten. Es kann analog in einem kleinen Buch oder in einem Kalender erfolgen, außerdem gibt es zahlreiche Apps, mit denen du Listen führen oder Erfolge notieren kannst. Manchmal genügt schon ein kleines Häkchen für „Erledigt!“, um dich zu erfreuen.
Mithilfe dieser kleinen Schritte wird es dir leicht fallen, Veränderungen in deinem Alltag umzusetzen. Nutze dieses Wissen und spüre, wie positiv sich Mini-Gewohnheiten auf dein Leben auswirken werden.
@Dr. Doris Wolf (PaL: Praktisch anwendbare Lebenshilfen)