Die meisten Menschen handeln nicht proaktiv. Sie fangen erst dann an, etwas zu ändern, wenn die Krise da ist. Wenn der Partner einem die Pistole auf die Brust setzt. Wenn die Chefin mir die 2. Abmahnung in die Hand gedrückt hat. Oder wenn ich zusammengeklappt bin, weil ich den Schmerz oder den Druck nicht mehr aushalten konnte.
Es wäre natürlich vernünftig, früher etwas zu ändern. Aber was soll ich sagen: So ticken wir Menschen eben nicht. Wir warten lieber, bis es nicht mehr anders geht.
Krisen bringen oft schlechte Lösungen hervor
Und aus der Krise etwas zu ändern, ist tatsächlich oft problematisch. Weil wir durch den Druck der Krise oft nicht die beste Lösung wählen, sondern die einfachste und schnellste. Den noch schlechteren, nächsten Typ, um aus meiner miesen Beziehung auszusteigen. Die voreilige Kündigung, weil ich es nicht mehr aushalte. Doch lieber noch eine andere Weiterbildung, obwohl mein Problem ist, dass ich Angst vor dem Versagen habe.
Aus der Krise ändern wir oft irgendwas. Einfach nur, damit der Schmerz erst einmal aufhört. Und damit schaffen wir nicht selten ein stark verbessertes Problem. Und drehen dann eine weitere Schleife im Kreislauf des Schmerzes.
Menschen, die ihr Leben proaktiv leben
Einige wenige Menschen sind hier allerdings anders.
Diese Ausnahmeerscheinungen ändern tatsächlich schon Dinge, bevor das sprichwörtliche Kind sie mit großen, angstvollen Augen aus dem Brunnen anschaut. Diese Menschen sind proaktiv. Sie warten also nicht, bis sie nur noch auf die Umstände reagieren können. Sie ändern schon vorher etwas.
Welche Art Mensch lebt proaktiv?
Proaktiv. Das hört sich gut an. Aber wer schafft das schon in unserem zu vollen und zu hektischen Leben?
Oft sind das Menschen, die grundsätzlich Lust auf Veränderung haben, weil ihnen die alten Zustände schnell langweilig werden.
Oder diese proaktiven Menschen sind Typen, für die Optimierung und Verbesserung wichtig ist, so dass sie immer nach einer noch besseren Lösung streben.
Oder es sind Menschen, die zu oft in der Krise gesteckt und es irgendwann kapiert haben. So dass sie für sich entschieden haben: Jetzt passe ich besser auf, jetzt werde ich schlauer und lasse es nicht mehr zu einer Krise kommen.
Und wenn du zu keinem dieser 3 Menschentypen gehörst oder dir einfach noch mehr Produktivität wünscht, dann ist dieser Beitrag hier für dich.
Denn ich möchte dir ein Modell oder eine Vorgehensweise vorstellen, wie du deine positive Veränderung und deine Entwicklung organisieren kannst.
Proaktiv sein heißt, nicht nur zu reagieren
Proaktiv sein heißt also: Ich reagiere nicht nur auf das, was mir das Leben vor die Füße wirft. Sondern ich überlege mir, wo ich hinwill. Ich überlege mir, wovon ich mehr im Leben will. Um dann aktiv und zielgerichtet in diese Richtung zu gehen.
Wenn ich proaktiv sein will, gibt es allerdings auch ein Problem.
Und zwar dass ich oft nicht weiß, welche Richtung die richtige für mich ist. Denn die Welt ist so groß und bietet so viele Möglichkeiten. Da ist es nicht so einfach, mich zu entscheiden, in welche Richtung ich meine noch verfügbare Energie, meine Zeit und meine Schaffenskraft fließen lassen will.
Was gibt es für Möglichkeiten, mein Leben proaktiv zu gestalten?
Soll ich einem meiner großen Träume nachgehen? Der Selbstständigkeit? Der Weltreise? Dem Ausstieg aus dem Wahnsinn, um ein freies, minimalistisches Leben zu führen? Oder was es auch für dich ist.
Oder soll ich etwas Neues lernen und trainieren, das mich interessiert oder das mir neue Möglichkeiten eröffnet?
Soll ich eine bestehende Fähigkeit auf eine neue, noch höhere, noch meisterlichere Ebene bringen?
Soll ich ein Problem angehen, das mich manchmal belastet?
Oder soll ich meinen Wohnort, meinen Beruf, meine Partnerschaft, mein soziales Umfeld noch verbessern und ausbauen, um hier noch mehr Erfüllung zu erleben?
So viele Möglichkeiten. So wenig Zeit.
Ein Modell für menschliche Entwicklung
Es gibt so viele konkrete Richtungen, wo ich etwas verändern könnte. Und diese Masse an Möglichkeiten überfordert uns oft. So dass wir dann feststecken und oft gar nichts angehen.
Es gibt aber einen Ausweg aus dieser Überforderung der Möglichkeiten. Indem wir uns auf das zurückbesinnen, was wir Menschen grundsätzlich wollen.
Die 2 Dinge, nach denen wir Menschen streben
Wir Menschen streben grundsätzlich nach zwei Dingen:
Erstens: Sehnsucht nach dem Erleben angenehmer Erfahrungen
Wir streben nach dem Erleben angenehmer Erfahrungen. Das kann das entspannte Liegen in der Hängematte sein. Oder das Gewinnen eines Wettbewerbs. Das Durchstreifen eines Dschungels. Der Stolz, wenn ich etwas Neues erfunden oder geschaffen habe. Die Fahrt in der Achterbahn. Die Fahrradtour mit Freunden. Oder der Sex mit meinem Liebsten. Was für dich angenehm ist, das ist ja eine sehr persönliche Sache und für jeden anders.
Das ist also die eine Richtung. Das eine Grundsätzliche, wonach wir streben. Das Erleben angenehmer Erfahrungen.
Zweitens: Der Schmerz soll bitte aufhören
Wonach wir noch streben, das ist die Beendigung des Schmerzes. Das Lösen des Problems. Das Entkommen aus dem Gefängnis. Dass die Last und der Druck von einem genommen wird. Dass endlich wieder innerer Frieden einkehrt.
Wobei es zwei Möglichkeiten gibt, den Schmerz zu beenden. Oder ihn zumindest zu verringern:
Möglichkeit a: Ich löse das Problem, durch Veränderung oder durch Flucht.
Möglichkeit b: Ich akzeptiere das Vorhandenseins des Problems und den Schmerz. So dass ich zumindest aufhören kann, dagegen anzukämpfen. Was den Schmerz meist schon einmal kleiner macht. Und was auch dafür sorgt, dass ich meine Zeit den besseren und schöneren Dingen zuwenden kann.
Das sind also die zwei grundsätzlichen Richtungen, nach denen wir Menschen streben:
- Das Erleben angenehmer Erfahrungen.
- Das Beenden des Schmerzes.
Und so nutzt du diese 2 grundsätzlichen Bestrebungen
Bis hier ist es ja noch etwas abstrakt. Aber aus diesen 2 grundsätzlichen menschlichen Bestrebungen ergeben sich eine Reihe von Fragen, aus denen du deine nächsten Schritte, deinen Entwicklungspfad und deine Ziele ableiten kannst.
Wo lauert die Freude und dein inneres Leuchten?
Diese Fragen lauten:
- Welche gesunden Erfahrungen sind für mich angenehm? (Gesund bedeutet hier Erfahrungen, die ohne langfristige, schädliche Nebenwirkungen auskommen)
- Was lässt mich Flow ((Link)) erleben?
- Was lässt mich tiefen, inneren Frieden erleben?
- Was lässt mich innerlich leuchten?
- Nach welchen gesunden Erfahrungen sehne ich mich?
- Welche Erfahrung lässt mich meine Lebendigkeit spüren?
- Was ist mir gerade wichtig im Leben? (Meine Werte)
- Welche Erfahrungen bringen mich richtig in Kontakt mit meinen Werten und lassen mich meine Werte erleben und erfahren?
- Und wie kann ich es klug organisieren, dass ich diese Erfahrungen in Zukunft regelmäßig mache?
Das sind die Fragen, die auf das Machen angenehmer und schöner Erfahrungen zielen.
Noch 3 Anmerkungen zum Erleben schöner Erfahrungen
Lass mich zu den angenehmen Erfahrungen noch 3 Anmerkungen machen:
- Zuerst wird es oft so sein, dass es für dich passgenaue angenehme Erfahrungen gibt, die du aber noch gar nicht kennst, weil du die Sache noch nie erlebt hast. Deswegen ist es so wichtig, offen zu sein und neue Dinge auszuprobieren, denn da draußen lauern noch Dinge, die wie für dich gemacht scheinen. Erlaube dir, diese Dinge zu entdecken.
- Es gibt Erfahrungen, die werden erst mit der Zeit gut. Gerade, wenn es um Tätigkeiten geht, die du erst trainieren musst. Kein Gitarrist erlebt bei der ersten Berührung mit der Gitarre gleich massive Glücksgefühle. Aber wenn du dein erstes Lied spielen kannst. Und wenn du dann irgendwann wirklich eins wirst mit deinem Instrument. Da steckt dann das Glücksgefühl. Lass dir also auch Zeit, eine Sache zu entdecken, und bleib auch dran, selbst wenn du nicht sofort den Kick bekommst.
- Jede schöne Erfahrung wird noch schöner, wenn du achtsam und dankbar damit umgehst. Wenn du genau hinhörst, hinspürst und hinfühlst. Wenn du die Sache etwas langsamer und bewusster machst. Und wenn du ein kleines Danke gen Himmel schickst, dass du diese Erfahrung gerade machen kannst. Das ist der Zucker auf den Erdbeeren.
Welche Probleme warten darauf, gelöst oder akzeptiert zu werden?
Das war das Erleben der schönen Dinge. Aber da ist ja noch die andere Seite. Die Seite mit dem Schmerz. Und auch hier kann sich deine Richtung für die nächste Zeit verbergen.
Und die Richtung entdeckst du durch die folgenden Fragen:
- Was sind gerade die Schmerzpunkte in meinem Leben?
- Was frustriert mich oft, macht mir zu oft Angst, wofür schäme ich mich häufig, wo fühle ich mich hilflos und ohnmächtig, worüber ärgere ich mich wieder und wieder oder was setzt mich richtig unter Druck?
- Was bringt mich aus meiner Harmonie, was macht mich richtig unzufrieden?
- Und was will ich anstelle dessen? Wie müsste eine Situation aussehen, in der ich auf eine gute Art und Weise diesen Schmerz nicht mehr fühlen müsste?
- Oder falls ich keine Lösung erkennen kann: Wie kann ich lernen, den Schmerz als Teil meines Lebens zu akzeptieren? Wie kann ich aufhören, dagegen zu kämpfen?
Diese beiden Komplexe von Fragen sind wie ein Navigator, um deine Richtung für die nächste Zeit zu entdecken. Die Richtung, in die du deine Energie, deine Zeit und deine Schaffenskraft in nächster Zeit lenken kannst.
Nimm dir die Zeit
Die Antworten auf diese Fragen führen dich in eine für dich richtige Richtung. Und wie immer bei solchen Fragen muss man sich natürlich ein bisschen Zeit nehmen, um diese Fragen tief und ganz zu beantworten.
Also hier beim Durchlesen werden dir wahrscheinlich noch keine Geistesblitze kommen. Eher, wenn du dir mal 1 oder 2 Stunden nimmst und diese Fragen tief reflektierst.
Was zugegebenermaßen einigen Mut erfordert. Weil die Antworten auf diese Fragen natürlich auch einen Veränderungsdruck aufbauen. Und weil wir alle auch Teile in uns tragen, die lieber alles beim Alten lassen wollen. Oder Teile, die Angst vor der notwendigen Veränderung haben und vor den Konsequenzen, die die Veränderung mit sich bringen würden. Deswegen zieren wir uns meistens ein bisschen, uns mit solchen Fragen zu beschäftigen.
Deswegen müssen wir hier die Backen zusammenkneifen und das leichte Unwohlsein aushalten, um uns mit den Fragen und den Antworten zu beschäftigen.
Proaktiv sein heißt, etwas zu tun, bevor es doof wird
So, jetzt hast du einen kleinen Navigator durch den Dschungel der Möglichkeiten des Lebens.
Du kannst hier herausfinden, was die nächsten Schritte für dich sein könnten.
Indem du dir überlegst, wie du für mehr und beständigere schöne, angenehme Erfahrungen sorgen kannst.
Und indem du dir überlegst, wie du mit den wichtigsten und heftigsten Schmerzpunkten in deinem Leben umgehen kannst.
Denn etwas zu unternehmen, bevor mein Leben mir eine Krise schenkt, das ist proaktives Handeln. Das bedeutet, sein Leben zu gestalten und dafür zu sorgen, dass du später nichts bereuen musst.
@Ralf Senftleben (www.zeitzuleben.de)
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