Was ist wirklich wichtig im Leben?
Diese Frage kann einem im Alltag ziemlich abhanden kommen. So viele Aufgaben, Projekte und Termine. Emails, Telefonate, Twitter, Facebook. Und dann noch das Privatleben mit seinen Ereignissen, Pflichten und Routinen.
Oft steckt man so tief drin im Leben – an guten wie an schwierigen Tagen – dass diese Frage in den Hintergrund gerät: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben?
Vielleicht im Urlaub oder an runden Geburtstagen, an denen man kurz Bilanz zieht, taucht die Frage wieder auf. Kann es so weitergehen? Wird es so weitergehen? Und wie fühle ich mich dabei?
Oft ist auch eine persönliche Krise, in der man für einige Zeit aus dem Hamsterrad herausgenommen wird, eine Gelegenheit, intensiver über sein Leben nachzudenken. Und vielleicht mit einigen Korrekturen oder neuen Weichenstellungen in sein Leben zurückkehrt.
Die letzte Möglichkeit, noch einmal auf sein Leben zurückzuschauen, ist der nahende Tod.
Eine Krankenschwester, die viele Menschen in den letzten Wochen ihres Daseins begleitet hat, beschrieb in ihrem Blog Gemeinsamkeiten, was Menschen in den letzten Wochen ihres Lebens bereuen.
Hier sind 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen:
- „Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, ein Leben getreu mir selbst zu führen – anstatt eines, das andere von mir erwarteten.“
„Leben oder gelebt werden“, ist der Titel des Buches, in dem Walter Kohl sein Leben im Schatten seines Vaters, des Altbundeskanzlers schildert. Der Titel ist auch eine gute Frage an sich selbst. Lebe ich oder werde ich gelebt?
Wer von klein auf hört, dass es wichtig ist, was die Nachbarn sagen oder die Leute denken, entwickelt oft früh einen „Mach’s allen Recht-Antreiber“. Ein feines Gespür für all das, was andere Menschen wollen oder ihnen nicht gefällt. Dann beurteilt so jemand, was er tut, im Geist mehr mit dem Blick der anderen als mit dem eigenen Gefühl.
Alice Miller hat in ihrem Buch „Das Drama des begabten Kindes“ die Entwicklung eines Kindes, das früh für die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern sensibilisiert wird, eindrucksvoll beschrieben. Solche Menschen sind beliebt, sie haben eine feine Antenne dafür, wie es anderen geht und sind oft bereit, ihnen zu helfen oder auf sie Rücksicht zu nehmen.
Haben Sie Lust auf ein kleines Experiment?
Suchen Sie sich einen bequemen Platz, an dem Sie ein paar Minuten ungestört sind – vor allem kein Handy in Reichweite – auch nicht auf lautlos …
Schließen Sie Ihre Augen und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit noch innen.
Lesen Sie die folgenden Sätze erst still für sich und sagen Sie dann jeweils einen Satz laut vor sich hin.
Achten Sie dabei auf Ihre inneren Reaktionen wie Körperempfindungen, Gefühle und/oder Gedanken.
„Mein Leben gehört mir.“
„Ich muss es anderen nicht immer recht machen.“
„Ich bin in Ordnung, so wie ich bin.“
Ihre beobachteten Reaktionen können Hinweise geben, welche inneren Einstellungen Sie zum Thema „Wem gehört mein Leben“ haben.
- „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.“
Fast alle Männer hätten das bereut, schreibt die Krankenschwester.
Arbeite ich, um zu leben? Oder lebe ich, um zu arbeiten? Bleibt neben der Arbeit genug Zeit für Muße, Nichtstun, Spielen, freudiges, absichtsloses Tun?
Die Burnout-Debatte der letzten Jahre hat deutlich gemacht, dass viele Menschen die Life-Work-Balance (gebräuchlicher ist ja die umgekehrte Schreibweise) abhanden gekommen ist.
Das ist einerseits ein gesellschaftlicher Trend, der viel mit den neuen technischen Möglichkeiten der Vernetzung zu tun hat. Aber wohl die daraus folgende Veränderung der Einstellung bei vielen Menschen spielt eine Rolle.
Manche Eltern überlegen ja schon während der Schwangerschaft, wie sie das Ungeborene für den Arbeitsmarkt fit machen können. (Hier ein Podcast dazu.)
Mozart und Englischvokabeln schon für den Fötus im Mutterleib, der erweiterte Sprachkurs im Kindergarten, die Schach-AG oder der Mathe-Förderkurs in der VHS sind längst keine Ausnahme mehr im Alltag von Drei- bis Zehnjährigen.
„Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.“ Hier kommt es natürlich darauf an, was wir als Arbeit empfinden. Eine Tätigkeit, die mit Freude und Sinn verbunden ist, wird anders erlebt als ein Tun, das primär aus der Notwendigkeit um die Sicherung der Existenz entsteht.
Auch die Fähigkeit, klaglos zu funktionieren, wird oft schon in den ersten Lebensjahren angelegt. „Sitz nicht rum, tu was!“ Oder das Eingespanntsein in den elterlichen Betrieb, ob Gaststätte oder Bauernhof, legt frühe Wurzeln, dass Leben ohne Arbeit sinnlos oder gefährlich ist.
Wieder ein Experiment dazu, wenn Sie möchten:
Suchen Sie sich einen bequemen Platz, an dem Sie ein paar Minuten ungestört sind – vor allem kein Handy in Reichweite – auch nicht auf lautlos …
Schließen Sie Ihre Augen und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit noch innen.
Lesen Sie die folgenden Sätze erst still und sagen Sie dann jeweils einen Satz laut vor sich hin.
Achten Sie dabei auf Ihre inneren Reaktionen wie Körperempfindungen, Gefühle und/oder Gedanken.
„Ich muss nicht immer stark sein.“
„Ich darf spielen.“
„Ich muss nicht immer funktionieren.“
Ihre beobachteten Reaktionen können Hinweise geben, welche inneren Einstellungen Sie zum Thema „Leben und Arbeit“ haben.
- „Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, meine Gefühle zu zeigen.“
Hier kommt die Einladung zu einem Experiment gleich am Anfang.
Eine persönliche Frage an Sie: „Was fühlen Sie in diesem Moment, wenn Sie diesen Artikel lesen?“
Vielleicht wollen Sie einen Moment innehalten, und die Augen schließen und spüren, wie es Ihnen geht, wenn Sie bis hierher gelesen haben. Sind Sie betroffen, gelangweilt, neugierig, nachdenklich, ärgerlich …?
Also nicht denken, was Sie fühlen könnten, sondern was Sie wirklich fühlen – in diesem Moment. Wie Ihre Stimmung ist.
Um nicht in Konflikte mit anderen zu geraten, unterdrücken viele Menschen ihre Gefühle, strengen sich an, pflegeleicht zu funktionieren.
Suchen Sie sich einen bequemen Platz, an dem Sie ein paar Minuten ungestört sind – vor allem kein Handy in Reichweite – auch nicht auf lautlos …
Schließen Sie Ihre Augen und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit noch innen.
Lesen Sie die folgenden Sätze erst und sagen Sie dann jeweils einen Satz laut vor sich hin.
Achten Sie dabei auf Ihre inneren Reaktionen wie Körperempfindungen, Gefühle und/oder Gedanken.
„Alle meine Gefühle sind in Ordnung.“
„Ich darf meine Gefühle spüren und zeigen.“
„Ich bin erwachsen.“
Ihre beobachteten Reaktionen können Hinweise geben, welche inneren Einstellungen Sie zum Thema „Gefühle“ haben.
- „Ich wünschte, ich wäre mit meinen Freunden in Kontakt geblieben.“
In früheren Zeiten – ich rede schon wie der Märchenonkel (!) – war es mit dem Pflegen der Beziehungen meist einfacher. Man lebte auf dem Dorf oder in kleinen Städten. Wenn man mit jemandem reden wollte, musste man ihn besuchen oder auf einem Fest treffen.
Dass jemand seinen Lebenskreis verlässt, war eher selten. Heute ist es umgekehrt. Schon nach der Schule zur Ausbildung oder dem Studium verlassen die meisten ihr Elternhaus. Und das meist nicht, um im Nachbarort sich niederzulassen, sondern Hunderte von Kilometern und mehr.
In der freien Zeit gab es früher wenig, mit dem man den Feierabend verbringen konnte. Kein Fernsehen, kein Telefon, kein Internet. Man musste raus in die Realität, um jemanden zu treffen und mit ihm zu reden.
Heute ist das anders. Man kann über Kontinente via Internet Verbindung halten, was eine tolle Sache ist. Kritisch wird es, wenn die virtuellen Kontakte die realen Begegnungen deutlich übersteigen.
Wenn man mitten im Leben steht, fällt einem das vermutlich gar nicht so auf. Deswegen finde ich auch diesen vierten Wunsch bemerkenswert. Er betont die Wichtigkeit von engen Beziehungen – neben dem Kontakt zum Partner und vielleicht den Kindern.
Suchen Sie sich einen bequemen Platz, an dem Sie ein paar Minuten ungestört sind – vor allem kein Handy in Reichweite – auch nicht auf lautlos …
Schließen Sie Ihre Augen und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit noch innen.
Lesen Sie die folgenden Sätze erst und sagen Sie dann jeweils einen Satz laut vor sich hin.
Achten Sie dabei auf Ihre inneren Reaktionen wie Körperempfindungen, Gefühle und/oder Gedanken.
„Ich brauche Menschen.“
„Menschen brauchen mich.“
„Ich habe Wertvolles zu geben.“
Ihre beobachteten Reaktionen können Hinweise geben, welche inneren Einstellungen Sie zum Thema „Freundschaft und Beziehungen“ haben.
- „Ich wünschte, ich hätte mich glücklicher sein lassen.“
Ein erstaunlicher Wunsch: „Mich glücklicher sein lassen.“ Das beinhaltet ja auch, dass jemand es irgendwie verhindert hat, glücklicher zu sein.
Dafür kann es mehrere Ursachen geben:
- Sie schauen vor allem auf das, was Sie nicht oder noch nicht haben, anstatt auf das, was Sie haben. Das können kleine Dinge sein. Keine Schmerzen haben, genug zu essen, die einfachen Dinge des Lebens, die uns so selbstverständlich erscheinen. Und das große Glück erwarten wir oft von anderen Dingen, die wir ersehnen.
- Systemische Verstrickungen.
Das tritt vor allem dann auf, wenn es jemand, den wir lieben oder der uns wichtig ist, nicht gut geht oder er/sie leidet oder kein gutes Leben hat/hatte.
Menschen mit einem behinderten Geschwister fühlen sich oft schuldig, wenn es Ihnen gut – oder zu gut – geht. Dann „arrangieren“ sie oft etwas unbewusst, was ihnen passiert, und unter dem sie dann auch schwer zu tragen haben.
Wenn ein Elternteil früh gestorben ist oder ein anderes schweres Schicksal erleben musste, kann es schwer werden, einfach so glücklich zu sein. Hohe finanzielle Verluste der Eltern sind manchmal auch ein Auslöser. - Grübeleien über die Vergangenheit.
Im Leben jedes Menschen gibt es Kümmernisse, Fehlentscheidungen oder schlimme Ereignisse. Solche Belastungen zu verarbeiten und dann irgendwann loszulassen ist wichtig.
Akzeptieren, was geschehen ist, anstatt zu lange, wie glücklich man hätte werden können, wenn dies und das nicht eingetreten wäre, ist vergeblich und ein sicherer Weg, unglücklicher zu werden als es sein müsste.
Suchen Sie sich einen bequemen Platz, an dem Sie ein paar Minuten ungestört sind – vor allem kein Handy in Reichweite – auch nicht auf lautlos …
Schließen Sie Ihre Augen und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit noch innen.
Lesen Sie die folgenden Sätze erst und sagen Sie dann jeweils einen Satz laut vor sich hin.
Achten Sie dabei auf Ihre inneren Reaktionen wie Körperempfindungen, Gefühle und/oder Gedanken.
„Es darf mir gut gehen.“
„Ich muss nichts wiedergutmachen.“
„Alles ist gut.“
Ihre beobachteten Reaktionen können Hinweise geben, welche inneren Einstellungen Sie zum Thema „Glücklichsein“ haben.
Mein Fazit:
„Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.“ Zum Glück muss man dazu nicht bis zur letzten Stunde warten. Eine Krise oder ein ruhiger Spaziergang ist eine genau so gute Gelegenheit. Oder ein berührender Film, ein Buch, das uns aufrüttelt oder das Gespräch mit einem Freund.
Fotonachweis: unsplash.com / @ Silvestri Matteo