Der Mensch geht, die Liebe bleibt”
Thomas Young
In diesem Beitrag veröffentliche ich einen Auszug aus dem Büchlein, welches ich über die letzten Monate meines Sohnes auf dieser Erde verfasst habe.
Es beinhaltet wer und was mir in dieser Zeit wirklich geholfen hat weiterzuleben und auch wieder glücklich zu werden.
Vielleicht kann es für Menschen in einer ähnlichen Situation hilfreich sein.
Mehr als ein Jahr ist vergangen seit mein Sohn verstorben ist und heute kann ich sagen, dass ich wieder glücklich bin, im Frieden mit Allem was war, gereifter, zufriedener und dankbarer als davor, da nichts mehr selbstverständlich für mich ist. Ich fühle sehr oft inneren Frieden auch wenn die Stürme des Lebens und der Trauer immer mal wieder um mein Lebensschiff wehen. Mein Herz ist für mich der beste Anker…….
Auch bin und war ich in einem sehr unterstützenden und liebevollen sozialen Umfeld und konnte mir mit Vielem, was ich in meinem Beruf anwende, und des unten Beschriebenen selber helfen.
Das gilt aber nicht für jede/n!
Für viele Trauernde ist es äußerst wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen oder sich einer Trauergruppe anzuschließen!
Das sage ich auch aus meiner beruflichen Erfahrung!
Hier findest du eine Aufzählung all dessen, was mir wirklich geholfen hat.
Die hier aufgezeigte Reihenfolge ist willkürlich, denn einiges davon habe ich täglich angewendet und tue es immer noch!
1. Die Liebe, der Halt, der Trost und die Unterstützung – meines Mannes der mich so liebt und nimmt wie ich bin und immer ein offenes Herz für mich und meine Trauer hat. Von meinen wunderbaren Töchtern. Meiner großartigen Familie und meinen treuen und liebevollen Freund:innen. Ohne sie wäre es sehr einsam und noch schwerer gewesen. Ich kann fühlen, wie aufgefangen ich in diesem Netz der Liebe bin und war. Meine Dankbarkeit dafür ist unendlich!
2. Mooji – mein spiritueller Lehrer, dessen Sohn mit jungen Jahren ganz plötzlich verstorben ist, war für mich eine der größten Stützen. Von ihm durfte ich lernen ohne Bedauern über den frühen Tod meines Kindes zu sein. Das bedeutet, er ist zur „richtigen“ Zeit seiner Seele gegangen. Wir wissen nicht wann unsere Zeit zu Ende ist. Aber es ist niemals zufällig.
Und ich mache keine Geschichten mehr daraus, was wäre, wenn er jetzt noch leben würde. Oder zu bedauern, dass er nie eine eigene Familie haben wird, dass er nie mehr kommen wird.
DAS sind Gedanken die dazu führen, dass ich leide.
Ich habe es meistens geschafft, meinem Verstand nicht mehr zu erlauben in die Vergangenheit oder Zukunft zu gehen und mir damit Leiden zu erschaffen.
Das ist sehr neu für mich und es überrrascht mich immer wieder, dass es möglich ist.
Die Liebe, die Dankbarkeit und die Verbindung zu meinem Sohn werden für immer bleiben.
Trauer und Gedankengeschichten, die ich glaube = Leiden
Trauer ohne Gedankengeschichten = Trauer und diese hilft der Seele zu heilen.
Doch dazu brauchen wir oft gute Unterstützung!
Ich danke dir von Herzen Mooji, mit deiner Hilfe bin ich im Frieden mit Allem , innerlich sehr gereift und tatsächlich auch wieder glücklich, selbst wenn die Wellen der Trauer immer mal wieder über mich fluten.
3. Mein Herz – Bei allem was ich in den letzten Jahren und Monaten erlebt habe, war mein Herz der beste Navigator durch alle schweren und traumatischen Situationen. Innerlich habe ich mir oft gesagt „bleib in deiner Mitte, bleib im Herzen, egal was geschieht“ . Es war wie ein Mantra geworden und hat mir tatsächlich viel Stabilität gegeben! Das habe ich auch Herzlehrer ThomasYoung zu verdanken, dessen Herzlehren und der Satz:
“Der Mensch geht, die Liebe bleibt“ zu einem großen Trost für mich geworden sind und der Titel des Büchleins.
Und ich habe auch erfahren, was er in seinem Buch beschreibt: „Selbst im tiefsten Schmerz ist das Herz zugleich fähig, Freude zu empfinden“. Damit hatte ich in dieser Situation niemals gerechnet und es war für mich zuerst sehr ungewohnt und seltsam dies zu erleben, aber genauso habe ich es manches Mal vor und nach dem Tod meines Kindes erlebt.
In meinem Herzen lebt er weiter. Er hat seine äußere Form verändert, doch Bewusstsein stirbt niemals.
Es gibt eine größere Kraft in uns, die uns hilft zu (über)leben.
Ich danke auch dir von Herzen Thomas!
4. Eckhart Tolle – Auf den vielen Autofahrten nach Hamburg zum Krankenhaus oder Hospiz habe ich fast ausschließlich Eckhart Tolle gehört. Seine Worte über das Sterben und den Tod haben mich tief berührt und mir durch diese schwere Zeit des Abschiedes geholfen. Und es war so wie er es beschrieben hat, dass es ein großes Geschenk ist, dabei zu sein, wenn jemand dem Tode nahe ist oder geht. „Ein großer Frieden breitet sich aus.“
Und so war es ……… tiefer Frieden, unendliche Liebe und grosse Dankbarkeit!
Ich durfte erleben, wie viel Frieden vor, während und nach dem Übergang durch den Schleier vorhanden war. Das war eine große Gnade!
Dadurch habe ich die Angst vor dem Tod vollständig verloren.
5. Meine langen Waldspaziergänge – haben mich während der gesamten Zeit und nach dem Tod meines Sohnes sehr, sehr unterstützt. Ich konnte weinen und dabei meinen Körper durch die Bewegung unterstützen alles loszulassen, was mich bedrückt und geängstigt hat.
Ihn so leiden zu sehen, war das Schlimmste von allem, so war das Weinen sehr heilsam für mich.
Auch das alleine Trauern war für mich oft einfacher, denn auch für den Partner (nicht der Vater meines Sohnes) ist es nicht leicht alles mitzutragen und es hätte mich zusätzlich belastet, wenn der andere mitleidet.
Nach seinem Tod war und ist der Wald für mich meine Heilung (mein Heilewald) und ich konnte all das Schwere, all die Ängste und Sorgen um mein Kind immer mehr loslassen. Das Schlimmste war ja eingetroffen und so fiel Vieles, was mir Monate auf dem Herzen lag, ziemlich unerwartet von mir ab. Ich weinte, trauerte und konnte nachsinnen und stiller werden.
6. EMDR – Als nach ein paar Wochen immer wieder die traumatischen Bilder seines Leidens hochkamen, habe ich mich entschlossen, EMDR, eine spezielle Augenbewegungsmethode (Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung) welche besonders bei Trauma angewendet wird, bei mir selbst anzuwenden.
Das war mit die größte Erleichterung für mich! All diese Bilder sind seither tatsächlich verschwunden. Und wenn noch einzelne hochkommen kann ich sie mit EMDR bearbeiten. Mein Beruf als HP-Psychotherapie ist tatsächlich eine große Hilfe in dieser Zeit gewesen. Dafür bin ich auch unendlich dankbar.
7. Corona war trotz all der Einschränkungen eine Zeit des Durchatmens, Verarbeitens, Trauerns und Erholens von den 20 Monaten nach der Diagnose. Erst im Frühling 2021 kam während des 3. Lockdown der Impuls langsam und allmählich wieder ins „normale“ Leben zurückzukommen.
Während Corona hatte ich kaum Außenkontakte und es haben sich nur einzeln Menschen bei mir gemeldet oder nachgefragt, wie es mir geht. Auch das war heilsam, weil ich nicht immer alles aufrühren musste. Und wenn ich das Bedürfnis hatte jemanden zu sprechen, bin ich in den Kontakt gegangen.
Und es scheint nach wie vor für manche Menschen schwierig zu sein mit Trauernden im Kontakt zu bleiben. Für mich war das gut so, aber für andere, einsame, leidende Menschen könnte das durchaus schwer sein.
Unbedachte Äußerungen habe ich nur selten erlebt und erst nach einem halben Jahr hatte ich wieder die Kraft, diesen Menschen zurückzumelden, was ihre Aussagen bei mir ausgelöst haben. Sie waren sehr erschrocken über ihre eigenen Worte und haben sehr aufrichtig um Vergebung gebeten. Das hat mich sehr berührt! So sind Freundschaften nicht auseinandergegangen, sondern in eine neue Wahrhaftigkeit und Liebe gekommen. Auch das durfte ich dankbar lernen.
8. Kein Widerstand – Annehmen und Ja zu dem was ist. Schon während des ersten Lockdown habe ich beschlossen, mit nichts mehr in den Widerstand zu gehen. Dass es so herausfordernd werden würde habe ich nicht vermutet. Aber dieser Entschluss hat mich sehr stark durch diese Zeit hindurch manövriert. Ohne Widerstand durfte alles so sein wie es war und das hat es tatsächlich leichter für mich gemacht.
9. Das Buch von James van Praagh – ein hellsichtiger Mann, der mit Verstorbenen spricht, hat mich auch sehr berührt und gestützt in dieser Zeit. Er sagte den Satz: “Wenn ein Kind stirbt können wir auf zweierlei Arten damit umgehen:
1. verzweifeln, 2. es für die Weiterentwicklung der Seele nutzen.” Ich wählte das Letztere.
Mehr dazu habe ich im Buch beschrieben. Es hat mir sehr, sehr geholfen in meiner Mitte zu bleiben, egal wie schlimm es war, und weiterzugehen, weiterzumachen mit all dem was mir gut tat in dem Wissen, dass mein Sohn immer mit uns ist und möchte, dass es uns gut geht!
Er sagte auch, dass unsere Verstorbenen auf keinen Fall wollen, dass wir unglücklich sind, auch das hat mir geholfen.
10. Meditation – Es gab für mich kein Patent-Rezept, wie ich mit dem Tod umgehen konnte. Ich bin jeden Tag aufgestanden, manchmal bedrückt, traurig oder weinend, habe mir meinen geliebten grünen Tee gemacht, eine Kerze bei seinem Foto angezündet und mich zur Meditation hingesetzt. Sehr oft habe ich mit einer dynamischen Atemmeditation begonnen, da ich danach immer sehr still bin, ohne Gedanken. Oder die „Einladung zur Freiheit“, eine Kontemplation zu unserer wahren Natur von Mooji. Und gerne die Herzmeditation von Thomas. So hatten die dunklen Gedanken keine Chance mich schon morgens zu überfallen.
Auch spreche ich öfter mit meinem Sohn oder sende ihm einfach meine Liebe. Das macht mich auch heute noch glücklich.
11. Das Büchlein schreiben – In diesem Büchlein habe ich mir alles von der Seele geschrieben was mich gerade in den letzten Monaten vor seinem Tod und danach bedrückt hat. Es hat mir geholfen all das Schwere niederzuschreiben und damit war ich auch ein Stück befreit davon. Wenn ich es jetzt lese merke ich erst, wie traurig und anstrengend diese Zeit für mich und uns alle gewesen ist. Gleichzeitig hilft es mir die Vergangenheit immer mehr loszulassen und in meinem Leben weiterzugehen……..
Es gibt immer noch Tage, da vermisse ich mein Kind sehr und Wellen der Trauer überfluten mich, aber das ist vollkommen in Ordnung und heilsam so.
12. Schöne Dinge tun – während der dunklen Jahreszeit, habe ich mir täglich Kerzen und Lichterketten angezündet, frische Blumen zu seinem Bild gestellt und es mir so schön und gemütlich gemacht, wie es für mich möglich war. Ich hatte ein starkes Bedürfnis danach, wahrscheinlich um die Dunkelheit zu vertreiben. Auch Kleinigkeiten können manchmal ein großer Trost sein! Wie z.B. die Christrosen mit der Lichterkette nach der Beerdigung vor unserer Haustüre. Es waren sooft die kleinen Dinge die mir gezeigt haben, wie viele wunderbare Menschen mit uns waren……DAS hat sehr, sehr gut getan!
13. Humor – mein geliebter Mann hat es trotz der traurigen Umstände immer wieder geschafft, dass ich über mich selbst oder auch so wieder lachen konnte. Niemand kennt und liebt mich so wie er und das hat mir oft geholfen nicht zu verzagen.
14. Der Frieden – welcher größer ist als alle Vernunft, dieser Frieden hat mich vor, während und auch jetzt noch, nach demTod meines Kindes, begleitet. Eckhart Tolle hatte so Recht und es ist fast unbegreiflich, dass trotz dieser Umstände dieser unendliche Frieden immer in mir ist.
Es gibt für mich einfach mehr zwischen Himmel und Erde als wir uns jemals vorstellen können. Der Verstand kann das nicht begreifen, muss er auch nicht, das Herz weiß intuitiv, dass es die Wahrheit ist. Unendliche Liebe, unendlicher Frieden für mein Kind fliessen in diese Welt…..
15. Was sind die Geschenke – welche mein Sohn uns mit seiner Krankheit, mit seinen letzten Wochen und Tagen und darüber hinaus gemacht hat?
Für mich sind es die unendlichen Tage der Liebe, des Friedens und der Nähe zu ihm, die ich auch jetzt noch spüre!
Die Dankbarkeit für jeden gemeinsamen Tag den ich mit ihm verbringen durfte.
Im Jetzt zu sein ohne Gedanken und Sorgen an die Zukunft.
Er war mein Meister im Annehmen, Hingeben und Loslassen……….
Und es wurde mir bewussst, dass NICHTS und niemand im Leben selbstverständlich ist. Wir denken und tun zwar oft so aber so ist es nicht. Dankbar darf ich heute alles wertschätzen und geniessen, was in meinem Leben schon an Gutem da ist: dass es meinen Liebsten gut geht, liebevolle Menschen, Gesundheit, Mitgefühl, Freude und Liebe, erfüllende Arbeit, Dinge wie ein Dach über dem Kopf und genügend zu Essen und die kleinen Dinge des Lebens die uns glücklich machen.
Und ich habe durch meinen Sohn gelernt, dass es arrogant ist zu glauben, ich wüsste, was für andere, besonders für meine Kinder, gut wäre. Ich weiß es nicht, oft nicht mal für mich. Auch habe ich erkannt, dass es keine Sicherheit im Außen mehr gibt. Ich finde sie nur in mir, in der Stille und im Frieden meines Herzens.
@ Christina Buggenthin-Saß