Lasst uns heute mit einem Zitat starten:
Eine schlechte Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterprügeln, Stufe für Stufe.
— Mark Twain
Lieber Herr Twain. Ich möchte nicht respektlos sein. Aber hier muss ich widersprechen.
Gewohnheiten mit Willenskraft zu bekämpfen, ist eine schlechte Möglichkeit. Das funktioniert langfristig bei den Wenigsten.
Ich kenne eine bessere Möglichkeit, eine schlechte Gewohnheit loszuwerden.
Wir können sie durch eine bessere Gewohnheit ersetzen, die einen ähnlichen Zweck erfüllt, wie die Gewohnheit, die wir loswerden wollen.
Die Zigarette wird durch den Nikotin-Kaugummi ersetzt. Und der Nikotin-Kaugummi wird dann durch normalen Kaugummi ersetzt. Und irgendwann brauchst du dann die Zigaretten nicht mehr.
Das ist ja so eine grundsätzliche Sache bei der menschlichen Veränderung.
Sich dazu zu bringen etwas Neues zu tun, das ist so viel einfacher, als mit etwas aufzuhören.
Weil das Aufhören immer ein Loch oder ein Vakuum hinterlässt, dass andere Dinge an seinen Platz saugt.
Und was dann da angesaugt wird, ist oft nicht viel besser.
Kennst du das, dass ein Freund sich endlich von seiner Partnerin trennt und alle sagen: Endlich, die war einfach nicht gut für ihn. Die beiden haben einfach nicht zusammengepasst.
Und dann sucht sich der Freund gleich wieder jemanden, der ganz genauso wie die vorangehende Freundin.
Es war ein Vakuum da und dieses Vakuum wollte möglichst schnell gefüllt werden.
Das ist eine ganz wichtige Lebensregel: Wenn ich etwas beende oder mit etwas aufhöre, hinterlässt das eine starke Anziehung, die den leeren Platz wieder füllen will.
Jeder, der schon mal mit dem Rauchen aufgehört hat, der kennt es: Entweder trinkst du mehr oder du stopfst mehr Süßigkeiten in dich rein.
Lücken wollen gefüllt werden.
Deswegen ist es beim Aufhören eben immer wichtig, dir schon vorher zu überlegen, wie du die Lücke füllen willst.
Diese neue Sache sollte etwas sein, was einen ähnlichen Zweck erfüllt.
Einen Schokoriegel durch eine Karotte zu ersetzen. Das führt meistens nur dazu, dass ich am Ende eine Karotte UND einen Schokoriegel esse. Und dann noch einen Schokoriegel hinterher, schließlich habe ich mich ja vorher gesund ernährt.
Wenn du eine Gewohnheit ersetzen willst, musst du ein neues Verhalten wählen, das in eine ähnliche Richtung geht.
Es ist wichtig, dich zu fragen, welches Bedürfnis und welchen Zweck die schlechte Gewohnheit erfüllt.
Um dann eine neue Gewohnheit zu wählen, die in eine ähnliche Richtung führt.
Du ersetzt den Schokoriegel durch einen Bonbon, der hat statt 250 kcal nur noch 25 kcal. Und der Bonbon beschäftigt dich auch länger, wenn du ihn nicht gleich zerkaust.
Aber so gehen wir ja meistens nicht vor. Bei solchen Veränderungen ist unsere Antwort meistens Willenskraft.
Du musst dich zusammenreißen. Du musst es wirklich wollen.
Aber lass mich unschuldig fragen:
„Wie klappt das bei dir dauerhaft mit dem zusammenreißen?“
Also bei mir klappt das meist so ungefähr 3 Tage. Also keine besonders dauerhafte Lösung.
Nein, Verhaltensänderung, das ist eine Wissenschaft.
Es gibt erprobte Vorgehensweisen, um mein eigenes Verhalten neu zu programmieren.
Um neue, gute Gewohnheiten aufzubauen.
Um alte, schlechte Gewohnheiten loszuwerden.
Auch, um mit deinen inneren Widerständen umzugehen, die hier automatisch hochpoppen.
Es gibt erprobte Methoden, um mich selbst langfristig dazu zu bekommen, das zu tun, was eben vernünftig ist.
Und das ist eine dieser Methoden: Das Ersetzen von Gewohnheiten durch eine ähnliche, aber etwas weniger schädliche Gewohnheit. Wenn du das ein paar mal wiederholst, kannst du schlechte Gewohnheiten verlässlich loswerden.
Es gibt aber noch eine andere Methode, um unvernünftige Gewohnheiten loszuwerden. Diese Methode stammt auch aus der Verhaltenswissenschaft. Das ist das Ausschleichen.
Das erfordert ein klein wenig mehr Selbstdisziplin und Selbstorganisation. Aber nur soviel, dass es für die meisten von uns gut machbar ist.
Der Trick ist, dir am Anfang erst einmal nichts zu verbieten. Du darfst genauso weiter machen wie bisher.
200 g Schokolade am Tag. Das ist erlaubt.
Vier Gläser Wein am Tag. Auch erlaubt.
Es gibt nur eine Regel: Du musst es dir bewusst machen. Du musst also über ein paar Tage messen und zählen, wie viel du davon isst oder trinkst.
Du lässt also deine Bewusstheit und Achtsamkeit auf deine schlechten Gewohnheiten los. Aber ohne dir etwas zu verbieten. Das ist wichtig.
Nach ein paar Tagen hast du dann einen Referenzwert. Du weißt, wie viel Schoki du am Tag wirklich isst.
Und dann kannst du anfangen, dir eine leicht verringerte Quote zu setzen.
Statt 200 g nur noch 180 g. Statt 4 Gläsern Wein, sind nur noch 3 1/2 Gläser erlaubt.
Nach einer Woche setzt du dann deine Quote weiter runter.
So entwöhnst du dich schrittweise. Bis du bei einer vernünftigen Menge angekommen bist.
Es gibt noch weitere Tricks, wie du dich dazu bringen kannst, dein Verhalten im Alltag zu ändern.
Und wie du neues, gutes Verhalten verlässlich und dauerhaft aufbauen kannst.
Zum Beispiel mehr gesündere Sachen zu essen oder in der Woche endlich auf deine 10.000 Schritte zu kommen.
Und soll ich dir was sagen: Diese ganzen Tricks und Hacks helfen dir nicht nur, dich viel gesünder und vernünftiger zu verhalten.
Diese Tricks sind grundsätzlich das kleine 1 x 1 des Lebensgestalters.
Denn wir alle wissen ungefähr, was uns glücklich und erfolgreich machen würde.
Der Knackpunkt ist nicht, dass wir es nicht wissen.
Der Knackpunkt ist, dass wir uns nicht dazu bringen können, uns auch entsprechend zu verhalten.
Aber du kannst die Vorgehensweise auf beliebige andere Themen übertragen.
Regelmäßig meditieren oder deine Rückenübungen machen. Oder dein Tagebuch zu schreiben, um deine Psyche regelmäßig zu entlasten.
Die Vorgehensweisen, dich dazu zu bringen, sind immer gleich.
Wenn du das also lernen willst, dann mach einfach mit: Das ist eine Investition fürs Leben. In vielerlei Hinsicht.
Willenskraft ist eine nützliche Sache, wenn du sie hast. Selbstdisziplin auch.
Aber so viel einfacher ist es, wenn du dich selbst auf klugen Umwegen dazu bringst, das Richtige zu tun.
Nun denn, du wunderbarer Lebenskünstler. Ich hoffe, du hast ein bisschen Inspiration für dich gesammelt.
Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute. Und möge dein Leben von vielen, ganz wunderbaren Routinen und Gewohnheiten getragen werden, die ganz automatisch für dein Wohlergehen sorgen.
Denn was wir im Alltag wieder und wieder und wieder tun, dass bestimmt nun einmal unseren Lebenserfolg und unser Lebensglück.
@Ralf Senftleben
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