Ich (Mathias Rudolph) gehe los zu meinem Schreibtisch und wenn ich da bin, weiß ich nicht mehr, was ich dort wollte … Ich muss nur kurz eine Begriffsdefinition für einen Text nachlesen und 5 Minuten später erwische ich mich dabei, wie ich völlig versunken einen Text über die Formkunde asiatischer Bonsaibäume lese. Wie ich dort gelandet bin? Keine Ahnung …
Es gibt diese Momente in meinem Leben, wo meine Gedanken wie Wildpferde sind, die mit mir durchgehen. Denn ich habe eine wirklich stark ausgeprägte Neugier an vielerlei Themen. Und so kann es eben passieren, dass ich bei der Recherche nach einer Begriffsdefinition schnell mal bei völlig anderen Themen und Gedanken lande.
Man könnte sagen, ich bin das, was man eine „Scannerpersönlichkeit“ nennt. Ein Mensch mit vielerlei Interessen und Ideen, mit denen er sich am liebsten sofort und gleichzeitig beschäftigen möchte. Man kann aber auch schlicht und einfach sagen: Ich betreibe Multitasking. Ziemlich viel und ziemlich oft.
Und das ist ein Problem. Denn ich merke, dass mich diese Tendenz, abzuschweifen und vieles gleichzeitig zu tun und zu wollen, im Alltag immer wieder ein wenig aus der Balance bringt. Manchmal fühlt es sich abends so an, als wäre mein Hirn durch den Fleischwolf gedreht worden. Weil mich das Multitasking doch ganz schön viel Energie kostet. Und mich manchmal ziemlich durcheinanderbringt im Kopf. Wie kommt das?
Warum Multitasking nicht gut ist
Multitasking ist nicht gut für uns, das ist zumindest der relativ einhellige Tenor in der Wissenschaft.
- Der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther z. B. sieht die Gefahr, dass die Informationsflut und die dadurch stärker werdende Tendenz zum Multitasking dem Gehirn schaden, weil es irgendwann das Wichtige vom Unwichtigen nicht mehr unterscheiden kann.
- Multitasking verschlechtert außerdem nachweislich das Gedächtnis z. B. für gelesene Inhalte. Das heißt, wir erinnern uns viel weniger an einen Text, wenn wir nicht vollständig darauf fokussiert sind.
- Multitasking hat negative Auswirkungen auf unsere Beziehungen. In Experimenten konnten Wissenschaftler der Universität Essex nachweisen, dass die Qualität eines Gesprächs vom Kommunikationspartner als merklich schlechter bewertet wird, wenn die Versuchsperson im Gespräch auf ihr Handy schaut oder es sogar nur auf dem Tisch liegt.
- Und Multitasking kann sogar richtig gefährlich werden, wenn es z. B. darum geht, beim Autofahren Nachrichten ins Handy zu tippen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Tippen einer Handynachricht am Steuer ungefähr dem Fahren mit 0,8 Promille gleichkommt.
Meiner Erfahrung nach ist Multitasking aber hauptsächlich deshalb ein Problem, weil ich gedanklich mit mehreren Fäden gleichzeitig anfange und am Ende oft vergesse, was ich eigentlich wollte. Und das kostet mich einfach sehr viel Energie. Weil ich mich dann immer wieder neu eindenken muss in die jeweilige Aufgabe.
Und wenn ich versuche, meine vielen Gedanken im Kopf zu behalten, dann muss ich ständig mit ihnen „jonglieren“, damit ich auch ja nichts vergesse. Und wenn ich dann doch mal etwas vergesse, lässt mich das auch nicht mehr so schnell los. Dann denke ich manchmal Stunden darüber nach, bis es mir wieder einfällt.
Warum also überhaupt Multitasking?
Sie denken jetzt vielleicht: „Ja, das hab ich doch alles schon mal gehört und gelesen.“ Dass Multitasking nicht so gut ist, das ist inzwischen schon Allgemeinwissen. Aber ich frage mich: Warum betreibe ich es trotzdem täglich ausgiebig, obwohl ich es doch besser weiß?
Vielleicht liegt es an der Belohnung. Multitasking schenkt uns das befriedigende Gefühl, Zeit gespart zu haben. Beim Fernsehen nebenbei bügeln, das spart uns Zeit. Und es fühlt sich gut an, wenn wir der Uhr ein Schnippchen schlagen.
Außerdem ist Multitasking auch nicht immer „böse“. Wenn es um Aufgaben geht, die quasi ohne zu denken funktionieren, dann macht Multitasking Sinn. Wir können ja problemlos bügeln und nebenbei Fernsehen gucken. Nur wenn es um komplizierte Aufgaben geht, bei denen wir mehr geistige Kapazität brauchen, dann wird es zum Problem.
Wie könnten wir es denn nun besser machen?
Die Lösung heißt Monotasking
Monotasking bedeutet, sich voll und ganz nur einer Aufgabe zurzeit zu widmen. Die Betonung liegt dabei auf voll und ganz. Denn beim Multitasking widmen wir uns auch immer nur einer Aufgabe zurzeit, allerdings im ganz schnellen Wechsel.
Also in einem Moment kurz mal eben das Hemd richtig aufs Bügelbrett legen, danach wieder ein paar Sätze dem Fernseher zuhören. In einem Moment schnell was auf die Einkaufsliste schreiben und danach dem Freund am Hörer antworten. Auch beim Multitasking tun wir die Dinge immer nacheinander. Nur eben sehr schnell.
Beim Monotasking bleiben wir für längere Zeit nur an einer einzigen Aufgabe.
Die Vorteile, wenn wir uns für einige Zeit voll und ganz einer Aufgabe widmen, sind:
- Wir erhalten die Konzentration bei komplexen Aufgaben aufrecht. Das heißt, wir müssen weniger oft „von vorne“ anfangen, was uns Energie spart.
- Wir erledigen komplexe Aufgaben dadurch nachgewiesenermaßen schneller und fehlerfreier.
- Wir können lernen, mehr im Moment zu sein, weil wir gedanklich weniger abschweifen.
- Wir können uns besser an bestimmte Infos, wie z. B. gelesene Texte oder Gespräche, erinnern.
Und es gibt sicher noch einiges mehr an Vorteilen. Monotasking klingt also eigentlich ganz vernünftig, doch gehen damit auch einige Herausforderungen einher.
Woran scheitert Monotasking?
Einer Studie zufolge neigen insbesondere impulsive Menschen, die sich leicht langweilen, zum Multitasking.
Daraus ergeben sich auch direkt die großen Herausforderungen, damit Monotasking gelingt: Impulskontrolle und Langeweile. Hinzu kommt auch noch das Gefühl des Verzichts bzw. des Verpassens.
Konkret stellen sich mir da folgende Fragen:
- Wie schaffe ich es, meinem jetzigen Impuls nicht zu folgen?
Also nicht auf das Symbol des Webbrowsers zu klicken? Nicht schnell mal nach der Nachricht bei Whatsapp zu schauen? Nicht meinen schweifenden Gedanken zu folgen? Das ist eine schwierige Aufgabe, weil diese Prozesse teilweise ja fast unbewusst ablaufen, da sie schon so automatisiert sind.
- Wie schaffe ich es, Langeweile auch mal auszuhalten?
Also wenn mich das Telefonat gerade langweilt, nicht nebenbei noch eine Liste zu schreiben? Oder wenn ich eine Aufgabe erledigen muss, die total uninteressant ist, trotzdem für längere Zeitabschnitte dranzubleiben?
- Wie kann ich mich dazu bringen, jetzt wirklich nur die eine Sache zu tun und dafür die anderen aufzuschieben oder ganz darauf zu verzichten?
Für mich sind das die größten Stolperfallen, an denen Monotasking gerne scheitert.
Ein Selbstexperiment
Ich habe für mich beschlossen, das mit dem Monotasking mal für einige Zeit auszuprobieren. Ich will sehen, wie man das lernen kann und ob es meine Lebensqualität noch verbessern kann.
Dafür möchte ich ein kleines Experiment starten und in den nächsten Wochen im Beruflichen, aber auch im Privaten versuchen, immer öfter wirklich nur eine Sache zurzeit zu machen. Und wie ich das konkret mache, dafür habe ich schon ein paar Ideen.
Typische Ablenkungen sind natürlich das Handy und das Internet. Zumindest auf der Arbeit, ein Ort, an dem Konzentration gefragt ist, sind das die größten Störenfriede. Für beides gilt: Kann man abschalten. Man muss es nur tun 😉
Mit speziellen Programmen kann man z. B. das Internet an seinem Computer für eine vorbestimmte Zeit ausschalten. Auf meinem Computer habe ich „Freedom“ installiert. Ein Programm, das genau das leistet. Ich kann dann für 15 oder mehr Minuten das Internet abschalten und mich so von Ablenkungen fernhalten. Falls ich das Internet vorher doch brauchen sollte, muss ich den Computer eben komplett neu starten.
Für das Handy kann ich mir bestimmte Zeiten festlegen, wann ich draufschaue. Oder es ausmachen und nur anschalten, wenn ich gerade Pause mache. Ebenso gilt das für E-Mails. Das sind Ideen, die gut funktionieren könnten.
Es ist auch oft so, dass ich Gedanken und Ideen habe, die ich nicht vergessen will. Oft gehe ich dann dazu über, mich direkt darum zu kümmern, wenn es nicht lange dauert. Aber selbst das will ich in Zukunft vermeiden. Deshalb werde ich immer mit Stift und Notizblock ausgestattet sein, um mir alle Ideen und Gedanken einfach direkt aufschreiben zu können. Also so eine Art „Gedankenprotokoll“ nebenbei zu führen, damit mein Kopf frei bleibt für das, was ich eigentlich gerade tue.
Aber das sind nur die gängigen Lösungen, es wird sicherlich noch ein paar mehr Ablenkungen geben, die mir noch nicht so bewusst sind.
@ Mathias Rudolph – ZeitzuLeben
Fotonachweis: unsplash.com / Paul Skorupsas